Der gegenwärtig in der Philosophie zur Anwendung gebrachte Rezeptionsbegriff ist juristischer Herkunft. In der Rechtswissenschaft wurde er in zweifachem Sinne gebraucht: in strikt hermeneutischer und in historiographischer Absicht. Erstere gehört in den großen Traditionszusammenhang der Rechtshermeneutik, deren Funktion darin bestand, einen Kanon für die Deutung und Anwendung rechtlicher Normen festzulegen.
Der Sinn des Gesetzes zu erfassen und diesen sachgemäß anzuwenden, waren die zwei verschiedenen aber untrennbaren Momente der hermeneutischen Arbeit im Bereich der Jurisprudenz. Rezeption hat in dem Sinne den Charakter einer Entscheidung. Es handelt sich hierbei letztlich um einen schöpferischen Akt trotz aller durch die Eigenart der Rechtsanwendung vorgegebenen Begrenzungen. Die Wahrheitsfrage spielt nur eine sekundäre Rolle, was nicht heißt, dass ein Kontrollmechanismus fehlt, für den gerade die juristische Hermeneutik die Kriterien erarbeitet hat.