Die traditionellen Innovationsfelder des Spritzgießwerkzeugbaus stellen nicht länger ein Erfolg versprechendes Differenzierungsmerkmal auf dem internationalen Markt dar. Der Werkzeugbau in Mitteleuropa und insbesondere in Deutschland muss neue Aufgaben übernehmen und seine umfangreich vorhandene Kompetenz in innovative Entwicklungsprojekte einbringen. Dieser Chance steht jedoch ein erhöhtes Risiko gegenüber. Innovationen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Bereich der eigenen Erfahrung verlassen und ein neues, unbekanntes Gebiet betreten wird. Dies ist mit entsprechenden technischen und wirtschaftlichen Risiken verbunden. Erfolg versprechend kann daher nur eine Unternehmensphilosophie sein, die diesen Risiken eine geeignete Absicherungsstrategie gegenüberstellt.
Eine Analyse heutiger Werkzeugentwicklungsprozesse ergibt, dass bislang der Entstehungsprozess von Spritzgießwerkzeugen einerseits durch eine starke Konzentration auf die Fertigungsphase und andererseits durch eine iterative Vorgehensweise bei der Abmusterung sowie resultierende aufwändige Nacharbeiten charakterisiert ist. Ziel des Werkzeugbaus sollte es jedoch sein, einen wissensbasierten Entwicklungsprozess zu erreichen. Anhand einer Diskussion von denkpsychologischen Abläufen beim allgemeinen Konstruieren von Produkten wird gezeigt, dass es notwendig ist, kritische Entscheidungen während der Werkzeugentwicklung zu identifizieren und diese als Meilensteine in den Entwicklungsprozess so zu integrieren, dass diese Entscheidungen bewusst werden und dann möglichst diskursiv getroffen werden können. Zur Unterstützung dieser Entscheidungsfindungen ist es sinnvoll, geeignete Entwicklungshilfsmittel, z.B. Simulationsmethoden, zur Absicherung der Konstruktion einzusetzen.
Spritzgießwerkzeuge unterliegen einem komplexen mechanischen Belastungskollektiv. Dennoch wird einer konsequenten mechanischen Auslegung bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und das Problembewusstsein für das mechanische Werkzeugverhalten ist bei den Unternehmen des Spritzgießwerkzeugbaus nur gering ausgeprägt. Die vorliegende Arbeit formuliert daher einen Ansatz zur wissensbasierten Entwicklung von Spritzgießwerkzeugen zunächst in allgemeiner Form und konkretisiert diesen dann am Beispiel der mechanischen Werkzeugauslegung. Zur Umsetzung des angestrebten Virtual Prototyping werden geeignete Hilfsmittel entwickelt und diskutiert.