Wer sich mit Fragen der Entwicklung Kubas im 21. Jahrhundert befasst, tut gut daran, sich nicht mit der Hypothek zweier Denkfehler zu belasten, die den Weg zu plausiblen Antworten erschweren: Der erste betrifft die Romantisierung der neuesten kubanischen Geschichte im Lichte des anlässlich des 40. Jahrestages der Ermordung von „Che Guevara” neu erwachten „Che-Mythos”. Dieser Mythos verklärt nicht nur die Entwicklung des „Che“ als Persönlichkeit, sondern darüber hinaus auch die Entwicklung der „revolutionären“ bzw. sozialistischen Identität Kubas insgesamt. Der zweite Denkfehler betrifft die Interpretation der aktuellen Phase der Entwicklung Kubas als eine Endphase eines sozialistischen Systems nach dem Muster der Endphase des sozialistischen Systems der DDR. Er suggeriert die Vorausschaubarkeit des Ablaufs des Endes des Sozialismus in Kuba. Beide Denkfehler blockieren den Denkprozess, indem sie bestehende Unsicherheiten durch vermeintliche Sicherheiten ersetzen. Was den ersten Denkfehler anbetrifft, so genügt es, das Tagebuch Che Guevaras „Vom revolutionären Kampf im Kongo“ zu lesen, um zu sehen, wie hilflos der Mythos ist, wenn man ihn mit der Realität des revolutionären Kampfes konfrontiert: Im Kongo erlebt Che das Fiasko des berühmten Spruches: „Hasta la victoria siempre”.
Horst Sing
Humanisierung und Gesellschaft in Kuba heute
150 Seiten
Paperback
Reihe : ISIS
Bandnummer : 7
ISBN : 978-3-86130-722-8
30,00 €