Im innerstädtischen Bereich werden großflächige Grundwasserabsenkungen für die Errichtung von Untergeschossen oder Infrastrukturmaßnahmen immer seltener ausgeführt, da diese zwangsläufig mit Setzungen des Untergrundes und damit gegebenenfalls mit Schäden an der Nachbarbebauung verbunden sind. Stattdessen kommen entweder aufwendige Spezialtiefbaumaßnahmen wie Injektionen oder Unterwasserbetonsohlen zum Einsatz oder die Verbauwände sind so tief auszuführen, dass es infolge der Grundwasserumströmung und der damit verbundenen aufwärtsgerichteten Strömungskraft nicht zum Versagen durch hydraulischen Grundbruch kommt. Die Ermittlung der für den Nachweis der Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch erforderlichen Einbindetiefe kann durch die Auswertung von Potentialverteilungen erfolgen, wofür in der Regel in einem iterativen Prozess mehrere numerische 3D-Strömungsberechnungen notwendig sind. Daher existieren zahlreiche Näherungslösungen, die jedoch entweder selbst eine iterative Vorgehensweise erfordern oder teilweise deutlich auf der unsicheren Seite liegen, da sie wesentliche Randbedingungen vernachlässigen.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden daher umfangreiche numerische Strömungsberechnungen durchgeführt. Anhand der Ergebnisse wurden Abhängigkeiten der erforderlichen Einbindetiefe von verschiedenen Randbedingungen aufgezeigt. Vor allem die Baugrubenbreite B hat einen entscheidenden Einfluss. Die erforderliche Einbindetiefe steigt für schmale Baugruben überproportional stark an. Weiterhin spielt insbesondere die Lage (Ecke, Stirn-, Längsseite) innerhalb einer Baugrube eine wichtige Rolle, da aufgrund der räumlichen Anströmung in den Ecken deutlich größere Einbindetiefen als an der Stirn- oder der Längsseite erforderlich werden.
Schließlich wurden auf Grundlage der erhaltenen Ergebnisse dimensionslose Bemessungsdiagramme aufgestellt. Mit diesen ist es möglich, die erforderliche Einbindetiefe T bezogen auf die Wasserspiegeldifferenz H, in Abhängigkeit von den verschiedenen Randbedingungen (B, L, S, γ‘, Anisotropie, Schichtung) sowie unter Berücksichtigung des nach Eurocode 7-1 bzw. DIN 1054 geforderten Sicherheitsniveaus schnell und einfach zu ermitteln. Darüber hinaus kann bei rechteckigen Baugruben die Einbindetiefe getrennt für die Ecke, die Stirn- und die Längsseite ermittelt werden. In Ergänzung dazu wurden weiterführende Untersuchungen zum wirtschaftlichen Entwurf großer Baugruben durchgeführt. Durch die Anordnung von Abtreppungen entlang der Verbauwand ist dabei ein deutlich wirtschaftlicherer aber immer noch sicherer Entwurf von Baugruben möglich.
Abschließend wurde in Ergänzung zu den dimensionslosen Bemessungsdiagrammen schrittweise eine Näherungsformel aufgestellt. Mit dieser Näherungsformel kann die erforderliche Einbindetiefe analog zu den Diagrammen in Abhängigkeit der einzelnen Randbedingungen ermittelt werden. Der Einfluss aus anisotropen sowie geschichteten Baugrundverhältnissen kann durch Zuschläge in der Formel berücksichtigt werden. Durch die Einführung eines Bemessungsbeiwerts wurde schließlich eine umfassende Formel für homogenen, isotropen Baugrund erhalten, auf deren Basis eine alleinige Bemessung der für die Sicherheit gegen hydraulischen Grundbruch erforderlichen Einbindetiefe möglich ist. Diese Formel lässt sich auch direkt in Softwareprogramme implementieren, so dass sich der bisherige Wechsel zwischen Statik- und Strömungsprogrammen erübrigt.