In seinem Roman „Doktor Faustus“ beschreibt THOMAS MANN die Gedanken Jonathan
Leverkühns über ihn faszinierende Naturphänomene mit folgenden Worten:
„[…] Bildeten, so lautete seine Frage, diese Phantasmagorien die Formen des Vegetativen
vor oder bildeten sie sie nach? Keines von beidem, […] es waren Parallelbildungen. Die
schöpferische träumende Natur träumte hier und dort dasselbe, und durfte von Nachahmung
die Rede sein, so gewiss nur von wechselseitiger. Sollte man die wirklichen Kinder der Flur
als die Vorbilder hinstellen, weil sie organische Tiefenwirklichkeit besaßen, die Eisblumen
aber bloße Erscheinungen waren?
Aber ihre Erscheinung war das Ergebnis keiner
geringeren Kompliziertheit stofflichen Zusammenspiels als diejenige der Pflanzen […].“
Man könnte fast annehmen, dass THOMAS MANN mit diesen Worten, die er Jonathan
Leverkühn, dem Vater der Hauptperson Adrian Leverkühn, in den Mund legt, eine These zu
einer Frage aufstellt, die die Wissenschaft auch rund sechzig Jahre nach der Veröffentlichung
dieses Romans genauso bewegt wie damals, nämlich die Frage, was belebte und unbelebte
Natur voneinander unterscheidet bzw. was sie gemeinsam haben. Im Prinzip hat Vater
Leverkühn auch heute noch mit der Annahme Recht, dass dieselben Faktoren, die die Struktur
einfacher unbelebter Systeme beeinflussen, auch für die Bildung komplexerer Systeme
verantwortlich sind. Gleichzeitig herrscht aber auch die gängige Meinung, dass bei immer
komplexer werdenden natürlichen Systemen auch immer mehr Faktoren eine Rolle spielen, so
dass die Funktionsweise natürlicher Systeme oft undurchdringbar kompliziert erscheinen…